Einführung

Die Kastration eines Hundes – speziell die Kastration beim Rüden – ist ein tiefgreifender Eingriff und sollte gut überlegt werden. Alle an der Fortpflanzung beteiligten Organe bilden ein sehr komplexes hormonelles System, welches das ganze Sein – Empfindungen, Gefühle, Verhalten, Stoffwechsel – beeinflusst. Entsprechend ist eine Kastration nicht einfach das Verunmöglichen der Fortpflanzung und der entsprechenden Triebe, sondern es wird einen Einfluss auf das Wesen in seiner Gesamtheit haben.

In Diskussionen, im Internet und in Foren werden ganz unterschiedliche Meinungen vertreten. Dasselbe gilt auch, wenn man bei verschiedenen Tierärzten oder Hundetrainern Rat holt. Das macht die Entscheidung für den Hundehalter nicht einfacher.

Aufgrund der vielen Anfragen haben wir hier unser Wissen und unsere Erfahrungen mit vielen Hunden betreffend die Kastration beim Rüden aufgeschrieben.

Das Ziel dieses Papiers ist, möglichst viele Aspekte strukturiert und in kurzer und verständlicher Form darzulegen und damit vielleicht dazu beizutragen, dass eine für alle Seiten befriedigende und für den Rüden faire Lösung gefunden wird.

Das Ziel dieses Papiers ist aber nicht, irgendeine Empfehlung abzugeben! Betreffend diesem Thema – wie auch bei vielen weiteren Themen in der Hundeentwicklung – gibt es keine Pauschalrezepte, zu unterschiedlich ist jedes einzelne Tier und die zugehörige belebte und unbelebte Umwelt. Für eine Empfehlung ist immer eine genaue Abklärung des betroffenen Individuums in seiner individuellen Umgebung nötig. Wir schliessen uns zu 100 Prozent der Empfehlung einer bekannten und sehr erfahrenen Verhaltenstierärztin an: Mindestens drei Meinungen einholen: jene des Verhaltenstierarztes, jene des Tierarztes und jene eines wirklich guten Kynologen (Hundetrainer, -züchter, -betreuer, was auch immer).

Die Quellen für die nachfolgenden Informationen sind in erster Linie viele Erfahrungen mit eigenen und fremden Hunden, unzählige Weiterbildungen, verschiedene Literatur und Diskussionen und Erfahrungsaustausch mit medizinischen Fachpersonen, Hundetrainern, anderen Pensionsbetreibern und weiteren betroffenen Personen.

 

Überlegungen

Grundsätzlich kann es medizinische Gründe für eine Kastration geben. Diese sind nicht Bestandteil dieser Ausführungen.

Liegen keine medizinischen Gründe vor, stellt sich die Frage:
Warum soll der Rüde überhaupt kastriert werden? Was soll damit erreicht werden?

Oft wird ein spezifisches Verhalten des Rüden als störend wahrgenommen und sollte durch die Kastration verbessert werden.
Mögliche Gründe:

  • Aggressivität und Ängstlichkeit
  • Hypersexualität
  • Aufreiten
  • Markieren
  • Jagen
  • Territorialverhalten
  • Fehlender Gehorsam, Rüpelhaftigkeit
  • Fehlende Aufmerksamkeit/ fehlendes Interesse gegenüber der/den Bezugsperson/en
  • Intakte Hündinnen im gleichen Haushalt oder in der unmittelbaren Umgebung

Einige Hundeschulen neigen dazu, beim Auftreten von unerwünschtem Verhalten erst mal die Kastration zu empfehlen. Leider kennen wir viele – zu viele – Hundehalter, welche dieser Empfehlung gefolgt sind und danach enttäuscht sind, weil sich das Verhalten nicht verändert oder sogar verschlechtert hat.

Kastration ist grundsätzlich kein Gegenmittel für fehlende Sozialisierung / Erziehung / Führung / ungelöste Hierarchie – Fragen / schlechten Gehorsam / Respektlosigkeit.

 

Die Möglichkeiten

Chirurgische Kastration

Die chirurgische Kastration ist irreversibel. Es ist eine sehr kleine, einfache und günstige Operation unter Vollnarkose, welche kaum je Komplikationen verursacht.

Bei der Kastration werden die Hoden entfernt.

Der Vollständigkeit halber sei noch die Sterilisation erwähnt: Bei der Sterilisation werden nur die Samenleiter durchtrennt. Das heisst, es wird nur die Fortpflanzungsfähigkeit unterbunden und es findet keinen Eingriff in den Hormonhaushalt statt. Dieser Eingriff wird kaum praktiziert, kann aber sehr wohl Sinn machen in der Situation, wenn Rüde und intakte Hündinnen im gleichen Haushalt leben und der Rüde nicht zur Zucht eingesetzt wird oder werden darf, z.B. wegen Erbkrankheiten.

Die weiteren Ausführungen betreffen nur die Kastration.

 

Chemische Kastration

Die chemische Kastration ist reversibel und wirkt über den Hormonhaushalt. Es gibt verschiedene auf unterschiedlichen Wirkstoffen basierende Produkte. Unsere Erfahrung beschränkt sich auf Suprelorin®, weshalb wir nur dieses beschreiben.

Suprelorin® ist ein Implantat in der Grösse eines langen Reiskorns. Es wird mit einer Spritze mit einer etwas dickeren Nadel analog dem Kennzeichnungs-Chip unter der Haut platziert.

Es ist verfügbar mit Wirkung für ein halbes oder ein ganzes Jahr. Nach Ablauf dieser Frist hat sich das Implantat vollständig und rückstandsfrei aufgelöst.

Es ist zwar nirgendwo so beschrieben, aber unsere Erfahrung zeigt, dass die Wirkungsdauer auch von der Grösse des Hundes abhängen kann. Die angegebene Wirkungsdauer wird zum Teil – vor allem bei kleineren Hunden, aber nicht nur – massiv überschritten. Es gibt Beispiele von einer Verdoppelung der Wirkungsdauer.

Zu erwähnen ist noch, dass es während der ersten vier bis sechs Wochen nach der Verabreichung zu gesteigertem Sexual- und anderem testosteronindiziertem Verhalten kommen kann. Dies allerdings nur beim ersten Mal oder wenn es nicht nahtlos erneuert wird. In schweren Fällen kann mit Antiandrogenen dieser Einfluss etwas gemindert werden. Die Hodengrösse nimmt unter Suprelorin® in der Regel stark ab.

Die chemische Kastration wird oft als (reversibler) Probelauf für eine chirurgische Kastration eingesetzt. Gemäss vielen übereinstimmenden Berichten präsentiert sich der Rüde während der Wirkung von Suprelorin® sehr ähnlich wie nach erfolgter chirurgischer Kastration.

Es kann aber Unterschiede geben, es darf nicht vergessen werden: Jeder Hund ist ein Individuum und die Reaktionen auf Suprelorin® können unterschiedlich ausfallen.

Aktuelle Studien konnten bis jetzt keine nachteiligen Nebenwirkungen bei Langzeitbehandlungen feststellen.

Was nicht verschwiegen werden darf: es ist ein Kostenfaktor. Für das einjährige Implantat muss mit Kosten von etwa 220 Franken für das Implantat selber plus das Setzen des Implantates plus die Konsultation gerechnet werden.

 

Unterschied bezüglich Einfluss auf den Hormonhaushalt

Bezüglich der Folgen für den Hormonhaushalt gibt es Unterschiede zwischen der chirurgischen und der chemischen Kastration.

Hier eine stark vereinfachte Darstellung, welche für das Verständnis der Folgen aber ausreichend ist.

 

Wirkung chirurgische Kastration

Bei der chirurgischen Kastration werden die Keimdrüsen (= Hoden) entfernt. In den Hoden werden mehr als 95% des Testosterons produziert. Das heisst, dass nach der Kastration die Testosteronproduktion auf praktisch null sinkt.

Wie bei vielen Hormonen ist Testosteron kein «Selbstläufer». Man muss sich das als Regelkreis vorstellen. Die Produktion wird durch das Gehirn (Hypothalamus und Hypophyse) über andere Hormone gesteuert: Es wird die Ausschüttung von GnRH, einem «Auslöse» – Hormon initiiert, welches die Ausschüttung von zwei anderen Hormonen, dem FSH und dem LH, auslöst. Diese wiederum setzen u.a. die Testosteronproduktion in Gang. Die aktive bzw. im Körper zirkulierende Menge an Testosteron wird durch das im Hypothalamus gebildete und durch die Hypophyse an den Blutkreislauf abgegebene GnRH reguliert. Dies indirekt, durch die vermehrte oder gedrosselte Ausschüttung von FSH und LH (aus der Hypophyse).

Nachfolgende Grafik soll die Zusammenhänge verdeutlichen:

Werden nun die Hoden (Testosteron-Produzenten) entfernt, wird ein Element des Regelkreises ausgeschaltet. Da kein Testosteron mehr produziert wird, wir die Ausschüttung des Auslösehormons GnRH durch den Hypothalamus weiter angeregt und entsprechend steigen die Pegel von FSH und LH an. Messungen haben ergeben, dass diese beiden Werte bei kastrierten Rüden um das zehn- bis fünfzehnfache höher sind als bei intakten Rüden.

 

Wirkung chemische Kastration durch Suprelorin®

Der Wirkstoff von Suprelorin® ist ein GnRH-Analogon. Unter Suprelorin® (=GnRH-Analogon) wird die FSH – und LH-Produktion und deren Ausschüttung gedrosselt. Als Folge davon wird auch kein Testosteron mehr produziert. Mit anderen Worten: der ganze Regelkreis wird herabreguliert, die Produktion aller Sexualhormone wird eingestellt.

Das ist eine sehr vereinfachte Darstellung, Für Interessierte nachfolgend die genaue Beschreibung der Funktionsweise:

Der GnRH-Agonist Deslorelin, kontinuierlich in niedriger Dosis verabreicht, wirkt durch Suppression der Funktion der Hypophysen-Gonaden-Achse. Diese Suppression führt bei den behandelten Tieren dazu, dass das follikelstimulierende Hormon (FSH) und das luteinisierende Hormon (LH), die für die Aufrechterhaltung der Fruchtbarkeit verantwortlich sind, weder gebildet noch ausgeschüttet werden.

4 – 6 Wochen nach Implantation senkt die kontinuierliche Abgabe einer niedrigen Dosis Deslorelin den Plasmatestosteronspiegel und die Funktion der männlichen Fortpflanzungsorgane, die Libido sowie die Spermatogenese werden herabgesetzt. Während der Behandlungsdauer verringert sich die Hodengrösse. Die potenziellen Folgewirkungen einer Langzeitbehandlung auf die Prostata, das Fell und die Muskelmasse wurden nicht gezielt untersucht.

In den klinischen Untersuchungen wurde das Verhalten der Rüden nicht beurteilt. Bedingt durch den Wirkmechanismus kann jedoch ein Einfluss auf das geschlechtshormonabhängige Verhalten vermutet werden.

Unmittelbar nach Implantation kann es zu einem kurzen vorübergehenden Anstieg des Plasmatestosteronspiegels kommen. Untersuchungen zur klinischen Relevanz dieses Testosteronpeaks liegen keine vor. Bedingt durch den Wirkmechanismus kann eine vorübergehende Zunahme der testosteronabhängigen Einflüsse nicht ausgeschlossen werden.

Messungen der Plasmatestosteronspiegel haben die anhaltende pharmakologische Wirkung einer kontinuierlichen Abgabe von Deslorelin in den Blutkreislauf während mindestens sechs Monaten bei den Implantaten mit 4,7 mg und mindestens zwölf Monaten bei den Implantaten mit 9,4 mg nach Implantation bestätigt.

Quelle: Vetpharm

 

Einflüsse der Kastration

Pubertät

Die Adoleszenzphase (= Pubertätsphase = 2. Sozialisierungsphase = Hirn- und Verhaltensentwicklungsphase) des Hundes ist wie bei uns Menschen ein elementarer Entwicklungsschritt im Leben. Die Sexualhormone haben einen grossen Einfluss auf deren Beginn und Verlauf und Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und das gesamte spätere Leben.

Gut sichtbar sind die Einflüsse der Sexualhormone auf die körperliche Entwicklung: die Brust und der Kopf werden breiter, die Hoden wachsen, der Rüde wird im wahrsten Sinn des Wortes männlich.

Weniger gut sichtbar ist der tiefgreifende Umbau des Gehirns: es werden tausende von Synapsen (Verbindungen) im emotionalen Gehirn gelöscht und neue im rationalen Gehirn aufgebaut. Als Resultat dieses Umbaus wird der Hund rationalere Entscheidungen treffen und auf Situationen weniger emotional reagieren.

Wird vor (sog. Frühkastration, d.h. Kastration vor der körperlichen Reife) oder während dieser Entwicklung durch eine Kastration in den Hormonhaushalt eingegriffen, wird diese Entwicklung komplett unterbunden oder nachhaltig gestört. Die Dauer dieser sehr sensiblen (und für den Hundeführer mitunter sehr schwierigen) Zeit, welche ab dem Zeitpunkt der körperlichen Reife beginnt, ist individuell unterschiedlich. Sie endet etwa beim Vollenden des 1. bis 4. Lebensjahres (!!!). Wie bei anderen Entwicklungsmerkmalen gibt es auch hier sehr grosse Unterschiede, insbesondere zwischen grossen und kleinen Rassen. Als grobe Faustregel kann man für den Abschluss der Pubertätsphase drei Läufigkeiten inklusive nachfolgender «Wirren» (wie z.B. Scheinträchtigkeit) einer Wurfschwester des zu beurteilenden Rüden heranziehen (Rüden sind in der Regel etwas später mental ausgereift als Hündinnen).

Nebenbei: diese Entwicklungsschritte sind altes Wissen, davon zeugt die uralte Volksweisheit «drei Jahre ein junger Hund, drei Jahre ein guter Hund, drei Jahre ein alter Hund»

Eine solch frühe Kastration ist ein tiefgreifender Eingriff in die körperliche wie psychische Entwicklung eines Tieres (Stichwort Eunuch) und sollte deshalb sehr gut und kritisch überlegt werden.

Die Folgen können lebenslang anhaltende Kindlichkeit, fehlender Ernst, übermässiges spielerisches Gehabe und vieles mehr sein. Wobei diese Verhaltenseffekte von einigen Hundehaltern und sogar einigen Hundetrainern durchaus gerne gesehen werden. Dies mit dem Argument, dass grösseres spielerisches Interesse das Lernen vereinfachen soll.

Aber natürlich, auch hier gilt: jedes Individuum reagiert anders auf eine (frühe) Kastration.

2015 ist im SCHWEIZER HUNDEMAGAZIN ein Artikel über die Pubertät des Hundes erschienen. Das Ziel dieses Artikels ist die Förderung des Verständnisses für diese wichtigen Vorgänge. Verfügbar auf dem Internet:

http://hundemagazin.ch/die-pubertaet-des-hundes-22-wegen-umbauarbeiten-voruebergehend-geschlossen/

 

Verhalten

Die Kastration, unerheblich ob chirurgisch oder chemisch, beeinflusst das Verhalten eines Rüden.

Was die Kastration aber nicht kann:

  • Fehlende Sozialisierung korrigieren
  • Hierarchieprobleme lösen
  • Fehlende oder unpassende Ausbildung oder Anleitung wettmachen
  • Generell störendes oder ärgerliches Verhalten aufheben

Wir haben meist mehrere intakte Rüden in der Gruppe und haben dadurch die Möglichkeit, unterschiedliche Verhaltensweisen zu beobachten. Unser Eindruck ist, dass intakte Rüden oft klarer bzw. unmissverständlicher kommunizieren als kastrierte. Auffallend auch der Umgang mit intakten Hündinnen. Nähert sich eine Hündin der Läufigkeit, wird sie meist von kastrierten Rüden stark bedrängt. Die intakten Rüden zeigen oft einen sicheren Instinkt: sie «kontrollieren» ab und zu den Geruch der Hündin, lassen sie aber sonst in Ruhe. Erst wenn sie sich der Standhitze nähert, werden sie unruhig. Wir als Züchter hatten früher einen eigenen Deckrüden. Er bedrängte die Hündinnen vor der Standhitze nie. Unser intakter Border Collie Rüde ist nicht ganz so präzise, er ist, wenn eine unserer Hündinnen läufig ist, auch ein bisschen «läufig», aber mit Ausnahme der Stehtage ist auch das kein wirkliches Problem.

Oft nützt ein erfahrener Hundetrainer oder Verhaltensmediziner, welcher eine grosse Empathie für die problematische Situation aufbringen kann, mehr als eine Kastration.

Nachfolgend noch ein paar Informationen zu häufigen Kastrationsgründen:

 

Aggressivität und Ängstlichkeit

Testosteron macht zwar generell etwas «angriffiger», fordernder, von sich selbst überzeugter, anmassender, zutraulicher und mehr «on the go». Somit können sich einige wenige Aggressionsformen durch eine Kastration abschwächen oder sogar ebenso plötzlich verschwinden, wie sie (sexualhormon-bedingt) gekommen sind! Es gibt aber auch eindeutige Verhaltens-Kontraindikationen, so insbesondere Ängstlichkeit und angstbedingtes Aggressionsverhalten.

 

Aufreiten

Aufreiten ist nicht gleich aufreiten. Welcher Funktionskreis jeweils das Aufreiten auslöst kann nur durch genaue Beobachtung aller Umstände verstanden werden. Eine sexuelle Motivation kann der Grund sein, ist aber eher selten der Fall.

Reines Spiel und Dominanzgebaren sind häufige Gründe. Ebenfalls kennen wir aufreiten aus Unsicherheit und als abnorm repetitives Verhalten oder als «Tic». Je nach Motivation wird auf Rüden oder auf Hündinnen aufgeritten. Nicht vergessen: auch Hündinnen reiten auf.

Und: rhythmische Bewegungen aktivieren die Ausschüttung von Dopamin (wird im Volksmund oft als Glückshormon bezeichnet). Das heisst, aufreiten mit Kopulationsbewegungen ist selbstbelohnend und deshalb aufwändig abzustellen.

Ohne alles genau aufgeschrieben und analysiert zu haben sind wir ganz klar der Meinung, dass prozentual mehr kastrierte Rüden aufreiten als intakte. Hingegen haben wir in unserer regelmässigen Kundschaft keinen einzigen mit Suprelorin® kastrierten Rüden, welcher aufreitet, weder auf Rüden noch auf Hündinnen. Das kann allerdings auch ein Zufall sein.

Entspringt das Aufreiten klar dem Funktionskreis der Fortpflanzung, das heisst, es ist sexuell motiviert, kann eine Kastration eine Verbesserung der Situation bringen VORAUSGESETZT, dass sich dieses Verhalten nicht bereits als eigentliches Reaktionsmuster abgespeichert hat.

In allen anderen Fällen wird es höchstwahrscheinlich keine Verbesserung bringen.

Zum Abschluss noch der Spezialfall: Aufreiten bei Menschen. Das Aufreiten (klammern am Bein, Kopulationsbewegungen, nicht zu verwechseln mit freudigem Hochspringen und Streicheleinheiten einfordern) ist oft ein «Ventil»-Verhalten des jungen pubertierenden Rüden. Das ist eine reine Erziehungsfrage und wird sich mit der Kastration nicht wesentlich ändern. Es kann auch, vor allem beim Aufreiten auf Kinder, ein Streben nach Dominanz sein. Bestimmt ist es sinnvoll, die Geschichte mit einem versierten Trainer oder Verhaltenstherapeuten zu besprechen, der helfen kann, strukturell, erzieherisch und vor allem auch ursächlich etwas an diesem Stressbewältigungs-Verhalten zu ändern.

 

Hypersexualität

Die wirkliche Hypersexualität kommt sehr selten vor. Sie zeigt sich durch laufendes Aufreiten auf alles und jeden/jede, mit starken Erektionen und spontanem Absamen. Ein solcher Rüde ist den ganzen Tag nur darauf bedacht, sich sexuell zu befriedigen, er ist extrem «getrieben». Hier kann eine Kastration Abhilfe schaffen.

 

Markieren

Markieren dient nicht nur der sexuellen Kommunikation, das heisst, es hat nicht explizit mit intakten Rüden zu tun, einzige Ausnahme ist das «Übermarkieren» von Marken von läufigen Hündinnen. Das ist eine reine Erziehungsfrage. Wir haben viele Beispiele von – wegen laschem Umgang des Frauchens/Herrchens mit dem Thema – hemmungslos markierenden intakten Rüden, deren diesbezügliches Verhalten auch mit drei und vier Jahren noch in kurzer Zeit geändert werden konnte. Und wir haben ebenfalls viele Beispiele von hemmungslos markierenden kastrierten Rüden.

 

Jagen

Jagen entspringt einem völlig anderen Funktionskreis. Eine Kastration wird diesbezüglich kaum keine Änderung bringen.

 

Streunen

Hier muss unterschieden zwischen generellem Streunen und dem Geschmack einer läufigen Hündin in der Nachbarschaft nachgehen. Ersteres wird sich nicht ändern mit einer Kastration. Letzteres kann sich ändern: statistisch gesehen verbessert sich diese Art von Streunen bei 64 % der Hunde nach der Kastration.

 

Territorialverteidigung

Territorial motiviertes Schutz- und Verteidigungsverhalten ist durch eine Kastration nicht wesentlich zu verändern.

 

Fehlender Gehorsam, Rüpelhaftigkeit

Das hat nichts mit Testosteron zu tun und es ist deshalb keine Änderung zu erwarten.

 

Fehlende Aufmerksamkeit/ fehlendes Interesse gegenüber der/den Bezugsperson/en

Hier ist es wichtig, den genauen Grund für dieses Defizit zu kennen. Ist der Grund fehlende Prägung auf den Menschen, fehlende Beziehung oder die Einstellung, dass der Mensch langweilig ist, wird sich mit der Kastration keine Änderung einstellen. Ist der Grund die geistige Abwesenheit, weil es ja immer irgendwie irgendwo nach läufiger Hündin riecht, kann es eine Besserung geben.

 

Intakte Hündinnen im gleichen Haushalt oder in der unmittelbaren Umgebung

In dieser Situation wird eine Kastration von stark sexuell getriebenen Rüden eine Entspannung für alle bringen. Dies ist auch ein bisschen abhängig von der Rasse und dem Individuum.

 

In der Wahrnehmung von Artgenossen

Hier gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen physisch und chemisch kastrierten Rüden. Physisch kastrierte Rüden werden gerne und oft bestiegen, und zwar sowohl von intakten als auch von anderen physisch kastrierten Rüden. Das kann unhaltbare Ausmasse annehmen, manchmal kommt uns ein kastrierter Rüde vor wie eine läufige Hündin. Das betrifft nicht jeden physisch kastrierten Rüden und dies kann sich im Verlaufe des Lebens auch ändern. Wir haben Beispiele von Rüden, welche jahrelang immer bestiegen wurden und plötzlich nicht mehr und umgekehrt.

Absolut nicht betroffen, weder vom bestiegen werden noch vom aktiven Besteigen anderer sind mit Suprelorin® kastrierte Hunde.

Der Grund dafür scheint noch nicht eindeutig eruiert. Es wäre möglich, dass die stark überhöhten Werte des FSH und des LH (siehe weiter oben unter «Wirkung chirurgische Kastration») dafür verantwortlich sind, das heisst, dass LH und FSH auch auf andere Drüsen als nur die Keimdrüsen (also z.B. Pheromondrüsen wie die Analdrüsen, Blase, Darm, Perianaldrüsen, etc.) wirken und so die Produktion von Pheromonen beeinflussen Möglicherweise ist aber auch ein anderes Hormon dafür verantworlich. Tatsache ist, dass chirurgisch kastrierte Rüden «verführerischer» riechen als läufige Hündinnen.

Der Grund muss eigentlich nicht interessieren, man muss einfach wissen, dass das so ist. Natürlich fällt das für den Hundehalter nur dann ins Gewicht, wenn der eigene Rüde oft Kontakt mit anderen Hunden hat, oder wenn er sich auch in Tierpensionen mit Gruppenaktivitäten aufhält.

Interessantes Detail in diesem Zusammenhang: wird einem solchen stark betroffenen Rüden Suprelorin® verabreicht, hört das bestiegen-werden auf.

 

Inkontinenz

Chirurgisch kastrierte Rüden können eine Harninkontinenz entwickeln. Allerdings ist das kein häufiges Phänomen, weit weniger häufig als bei Hündinnen. Bei etwa einem drittel der betroffenen Rüden hilft Suprelorin®.

 

Fell

Die chirurgische Kastration wirkt sich auf die Qualität des Fells von Hunden mit feinen «Seiden» – Haaren aus. Betroffene Rassen sind zum Beispiel alle Setter, Spaniels, Chihuahuas und viele weitere. Das Fell wird matt und stumpf, wobei Rüden etwas weniger betroffen sind als Hündinnen.

Mit dem Einsatz von Suprelorin® kann es ebenfalls zu einer Fellverschlechterung kommen, ist aber individuell verschieden und falls es eintrifft, dauert es länger. Weder wir noch befreundete Betriebe haben auch nur einen einzigen mit Suprelorin® kastrierten Rüden dieses Felltyps, dessen Fell mit den Jahren unschön wurde. Und: es ist reversibel. Nach Absetzen von Suprelorin® wird das unschöne Fell wieder wie vor dem Einsatz von Suprelorin®.

 

Stoffwechsel

Kastrierte Hunde werden dick. Diese Aussage hört man immer wieder und es ist etwas Wahres daran. Das rührt daher, dass die Kastration, d.h. der Eingriff in den Hormonhaushalt, erstens den Stoffwechsel beeinflusst und zweitens der Rüde weniger aktiv («getrieben») ist, das heisst, sich vielleicht etwas weniger bewegt. Dem kann problemlos mit der Anpassung des Futters und der Menge begegnet werden und auch der kastrierte Rüde bleibt schlank.

 

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